Sepplkapelle in Haslach

Hier findet man ein Motiv aus der Leidensgeschichte Jesu: Christus an der Geißelsäule. Die bekannteste Darstellung dieses Motivs ist das Gnadenbild der Wieskirche in Bayern, das hier in Haslach nachgebildet ist.
Hier ist veranschaulicht, wie Jesus entkleidet, an den Pfahl gebunden und von den Geißelknechten ausgepeitscht wurde. Um die Menschen zu besänftigen, ließ Pilatus Christus im Richthaus an eine Säule binden und geißeln. Die Geißelung war eine extrem blutige Foltermaßnahme. Wir betrachten den Leib Christi, grausam gegeißelt, erschöpft, mit Wunden bedeckt, durch die Schmerzen gequält und mit Blut überströmt. Seine Achtung vor dem Menschen führt in herab aus der Glorie des Himmels in die Tiefen des Leides und des Todes. Seine schmerzvollen Qualen und seine hoffnungsvolle Geduld enthüllen sich in ihrer ganzen Emotionalität vor den Augen des Betrachters. Seine Peiniger sind nicht zu sehen, nur er selbst mit traurigem Blick nach unten. Der gegeißelte Heiland ruft und in Erinnerung, dass Christus nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und um sein Leben als Lösegeld für die vielen, für alle Menschen, hinzugeben. Darin liegt die Botschaft der berühmten Wallfahrtskirche in der Wies bei Steingaden, die den Pilgern und Besuchern mit auf den Weg gegeben wird: Wer zur Gemeinschaft Christi gehören will, darf nicht nur vom Himmel träumen, sondern muss die Niederungen dieser Erde ernst nehmen und sich in ihnen bewähren. „Wer mein Jünger sein will“, sagt Jesus, „der verleugne sich selbst, nehme das Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Nach den Worten und dem Beispiel Jesu kann es kein bequemes und behagliches Christentum geben. Das Evangelium ist eine große Herausforderung an uns und verlangt von uns mutige Entscheidungen.
Der Christus an der Geißelsäule in Haslach ist ein eindrucksvoller Zeuge bäuerlichen Barocks. Wie beim Original in der Wieskirche weist die Figur deutlich akzentuierte Wundmale, offene, blutende Wunden am ganzen Körper, und schwere Ketten auf, die um den Hals und oberhalb der Ellenbogen befestigt sind. Eine Besonderheit bilden die Bart- und Haupthaare der Figur. „Christus an der Geißelsäule“ ist ein schlichtes Bildwerk, aus Holz geschnitzt, bemalt, mit echtem Haare und geschundenem Körper. Die Sage erzählt, dass der Bart und die Kopfhaare der Christusfigur tatsächlich wachsen oder wenigstens gewachsen sind.
Mit der prächtigen Wieskirche, der Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies, schuf Dominikus Zimmermann in den Jahren 1745 bis 1754 gemeinsam mit den besten Künstlern seiner Zeit den unbestrittenen Höhepunkt einer spezifisch bayrischen Rokokoarchitektur. Als ein Meisterwerk menschlicher Schöpfungskraft wurde Wieskirche 1983 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Bald nach Fertigstellung der Wieskirche entstanden Nachbildungen des Gnadenbildes „Gegeißelter Heiland“. Man war überzeugt, dass die Wunderkraft des ursprünglichen Gnadenbildes auch auf die Nachbildung übergehe. Auch die 75 cm hohe Figur in der Sepplkapelle wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts geschaffen. Die Martersäule ist in Balusterform gedrechselt, der Kopf Jesu ist von einem vergoldeten Strahlennimbus umgeben. Während Christus als leidender Mensch gezeigt wird, deutet der Strahlennimbus auf die Herrlichkeit Gottes hin. Die Figur des Heilands steht in einem verglasten, segmentbogigen Holzschrein, der farblich dekoriert ist und sich in der segmentgewölbten Nische befindet. Davor ist ein Schmiedeisengitter mit einem Florentinermuster angebracht, das im Scheitel des geschwiften Bogens ein Handwerkszeichen der Schmiede trägt.
Der gemauerte Kappellenbildstock misst 2,10 mal 2,10 Meter, die Traufenhöhe beträgt 2,30 Meter, die Spitze des geschweiften Zeltdachs ist in einer Höhe von 3,90 Metern. Nach Osten  ist die Kapelle offen, zwei seitlich vorgezogene Mauerteile schützen dieses historische Kleindenkmal. Die Kapelle beim Sepplbauern in Haslach, Eigentümer ist Matthäus Hauser, Neufahrn 24, ist laut Überlieferung  ein „gnadenreicher Schachern“. Er dürfte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erbaut worden sein, wahrscheinlich von Anton und Klara Nußbaumer, die zu dieser Zeit das Sepplgut zu Haslach besaßen.

Quelle: Raststätte. Auf dem Weg mit Christus (2009). Eigenverlag des PGR Neumarkt am Wallersee.