Vier Pestkapellen

Die vier Neumarkter Pestkapellen sind: die Gangerlkapelle, die Madlbauerkapelle, die Nepomukkapelle beim Bezirksgericht und die Pestkapelle beim Herzog.

Die Pest war eine bakterielle, hochgradig ansteckende Infektionskrankheit. Sie wurde wahrscheinlich von den Ratten auf die Menschen übertragen. In der Hälfte der Fälle kam es innerhalb von wenigen Tagen zu Sepsis und zum Tod. Wegen der dunklen Hautfärbung sprach man vom „Schwarzen Tod“.
Die verheerendste, größte Pandemie suchte von 1347 bis 1352 ganz Europa heim. Die Seuche hat 1347 von Nordafrika auf Sizilien übergegriffen und sich im Lauf der folgenden drei Jahre über ganz Europa hinaus bis nach Island ausgebreitet. Der „Schwarze Tod“, wie man diese Epidemie im Nachhinein bezeichnete, forderte schätzungsweise 25 Millionen Todesopfer, das heißt etwa ein Drittel der Bevölkerung. Sie entvölkerte ganze Ortschaften und Landstriche und hatte tief greifende Auswirkungen auf das Weltbild der mittelalterlichen Menschen und auf das Wirtschaftsleben.
Im Frühjahr 1349 begann in der Stadt Salzburg die große Pest, ein gewaltiges Sterben, das zwei Fünftel der Bevölkerung dahin raffte. Besonders während des heißen Sommers stieg di eZahl der Erkrankten und Toten, so dass ein tödlicher Schrecken die Menschen in der Stadt erfasste. Die Pest wütete in einer so schrecklichen Weise, dass es nicht nur in den größeren Orten viele ausgestorbene Häuser gab, sondern auch auf dem flachen Land einzelne Gebiete total verödeten. Die ärztliche Wissenschaft jener Zeit stand dieser furchtbaren Seuche ratlos gegenüber und begegnete ihr mit allerlei „Mystica und Secreta“.
1571 verlegte Erzbischof Johann Jakob von Kuen-Belasy seine Residenz bis 1582 nach Mühldorf am Inn, weil Salzburg die Pest wütete. 1574 erschien erstmals eine „Infektions-Ordnung“ für das Erzstift Salzburg mit christlichen Ermahnungen, Bestimmungen über Sauberkeit und Vorkehrungen zur Verhütung der Pest.
1625 versetzte die Pest noch einmal Neumarkt und Umgebung in Angst und Schrecken.
„Im Jahre 1632 herrschte in Pfongau eine ansteckende Krankheit, wahrscheinlich Typhus oder Pest; die dortigen Kranken wurden vom Neumarkter Vikar Josef Isen versehen, worüber sich nun die Neumarkter Bürgerschaft jedenfalls wegen der Ansteckungsgefahr beim Consistorium beschwerte, worauf der damalige Köstendorfer Dechant Augustin Schmidt angewiesen wurde, daß die zu Pfongau mit der Pest behafteten Personen von einem anderen Geistlichen versehen werden.“ (Jakob Vogl: Köstendorfer Heimatbuch)
1714 grassierte ein letztes Mal die Pest in unserer Gegend, ja in weiten Teilen Europas, und forderte zahlreiche Opfer. Mehrere Fälle wurden in Pfongau und in Sighartstein verzeichnet. Am stärksten war die benachbarte Ortschaft Steindorf betroffen. Auf dem Johannsberg bei Kleinköstendorf musste ein Pestfriedhof angelegt werden, auf dem zwischen 4. Oktober und dem 16. Dezember 1714 insgesamt 36 an der Pest verstorbene Personen bestattet wurden.
Viele Zeugnisse der Volksfrömmigkeit, Votivbilder in Wallfahrtsorten, Pestsäulen und Stiftungen von Kapellen und Kirchen sind Ausdruck der religiösen Mittel gegen die Seuche und die mit ihr verbundene Angst. Andachten zur Abwendung der Pest wurden gehalten, und der heilige Sebastian wurde angerufen, er möge helfen, die Seuche zu beenden. Noch heute wird am 20. Jänner, dem Gedenktag des heiligen Sebastian, sowohl in der Filialkirche Pfongau als auch in der Sommerholzer Kirche eine Sebastiani-Betstunde abgehalten, um zu bitten, die Menschen vor Unglück und schweren Krankheiten zu bewahren.

Nach dem Erlöschen der Pest wurden von den Leuten, die die Pest überlebt hatten, Votivkapellen, Pestsäulen und -kreuze errichtet. So gibt es beispielsweise zahlreiche Pestkapellen, die entweder an die Opfer einer Pestepidemie erinnern sollen, oder die aufgrund des Gelübdes gebaut wurden, eine Kapelle zu errichten, wenn der Ort von der Pest verschont bliebe.

Quelle: Raststätte. Auf dem Weg mit Christus (2009). Eigenverlag des PGR Neumarkt am Wallersee